Eine Firmengeschichte in der Buchbinderei

Ist der Kern des Buches gedruckt und grob zugeschnitten, liefert die Druckerei die Paletten mit den meist grob  zugeschnittenen Seiten an den Buchbinder. Dort werden sie gebunden oder geklebt und in das Cover eingelegt. Nach einigen Stunden Trockenzeit ist das Buch bereit zur Auslieferung. 
Buchbinderei Papyrus, Wien
Eine der größten Buchbindereien Österreichs ist Papyrus, deren Hallen in einem Industriegebiet im 10. Wiener Bezirk stehen. Papyrus ist bekannt dafür, Dinge zu wagen, und gilt oft als »letzte Hoffnung« für Entwürfe, die andere Buchbinder bereits ablehnten. Sehr viel wird in dem mit staatlicher Auszeichnung versehenen Betrieb noch mit der Hand gefertigt, sagt Buchbindermeisterin Regina Huhn. Es entstehen so viele Bücher von einzigartiger Schönheit und ungewöhnlichem Design. Auch die Werke von Architekten und Künstlerinnen, Designern und Fotografinnen, Werbegurus und Poeten passieren die Maschinenstraße der Buchbinderei, die sich mit gleicher Hingabe auch »ganz alltäglichen« Aufgaben widmet.

Als es bei dieser Firmengeschichte so weit war, erkannten die Buchbindermeister den hohen Schwierigkeitsgrad. Einer der Meister wollte den Auftrag eigentlich ablehnen, denn das Wagnis war sehr groß. 
Fertig geprägtes Cover der Firmenchronik

Das Cover zeigt die Abbildung einer Skala, deren Vorlage aus Metall ist und die in den Umschlag geprägt werden sollte. Danach sollte die Prägung mit Silberfolie veredelt werden.  Die Vorlage stammt von Georg Kesel, einem deutschen Erfinder aus der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert. Sie hat ungeheuer feine Linien, da sich Georg Kesel vornehmlich mit Verfeinerungen von Teilmaschinen und Messgeräten zum Teil auch für Mikroskope beschäftigte. So fein zu prägen ist schon an sich eine hohe Kunst für den Buchbinder, aber der Auftrag war noch wesentlich komplizierter. Die Linien sollten nämlich bis zur Kante reichen, also eine Art »Infinity«-Charakter zeigen. Dies galt eigentlich drucktechnisch als unmöglich, die meisten Prägungen, die bis zur Kante reichen, sogar solche mit dicken Linien, sind im Grunde genommen nicht zufriedenstellend. Doch Buchbindermeister Lager entschloss sich, das Risiko einzugehen.

Technisch fertigt der Meister ein Klischee der Prägung an. Klischees, die bis zum Rand reichen, können leicht brechen. Oder sie sind nicht in der Lage, die Linien abfallend einzudrücken. Dann kann es sein, dass sie nach Belieben irgendwo vor dem Rand aufhören, ganz ungleichmäßig werden oder die Folie nicht haftet. Man konnte im Voraus nicht sagen, ob unser Wunschdesign möglich wäre. Ich hatte mich mit den Kunden abgesprochen und wir hatten uns bereits auf ein Ersatzdesign geeinigt, von dem wir wussten, es wäre machbar. 
Aber das war nicht die einzige Schwierigkeit bei diesem Buchdesign. Es sollte auch noch direkt auf Graukarton geprägt werden. Graukarton ist ein grobes Material mit Einschlüssen, kleinen Steinchen, Sand und groben Fasern und so wusste man zu Beginn nicht sicher, ob es sich als Träger dieser extrem feinen Silberlinien überhaupt eignet. 

An dem Tag, als Meister Lager es versuchte, herrschte in der Buchbinderei Papyrus eine gewisse Spannung. Schon die ersten Versuche waren jedoch ermutigend, und als ich um 13 Uhr zur Abnahme kam, legte mir Buchbindermeister Lager das Ergebnis vor. Es war einfach perfekt.

Alles hatte wunderbar geklappt! Das Ergebnis ist ein ziemlich einzigartiges Buch, in dem die Firmengeschichte eines »Allgäuer Mächelers«, eines Tüftlers und Erfinders, der vor 125 Jahren ein Unternehmen von Weltgeltung gründete, einen passenden Rahmen findet. 
Autorin/Designerin mit dem Ergebnis



Weg des Buchs in der Buchbinderei:
Mit Leinen verbundene Vorder- und
Rückseite des Covers
Silberfolie, mit der die Prägung
veredelt wird

Meister Lager misst die Abstände
Kapitalband, damit wird der Kern
mit dem Einband verbunden
Kern (Seiten) bereits geklebt
Kern beim Zuschnitt 


Holzblock mit den genauen Maßen
für den Zuschnitt
Kern der Firmengeschichte wird auf
Maße des Holzblocks zugeschnitten


Digitale Messung
Kapitalbänder werden angebracht


Dann können Kern und Cover
verbunden werden
Schließlich wird noch der Rücken
gefalzt


Laufende Qualitätsprüfung
Sortierung

Verschiedene Stadien der Produktion
Links und liegend: fertiges Exemplar.
Rechts: leeres Cover, davor zwei Kerne auf
einem Exemplar noch ohne Rückenfalzung


Paletten mit fertigen Büchern
Die Bücher müssen vor dem Einschweißen
einige Stunden trocknen





Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen